Gastbeitrag von Manfred Knake
Die Ampelregierung will den Ausbau der Windenergie beschleunigen und Genehmigungshemmnisse abbauen, auch um „unabhängiger“ vom Gas zu werden. Eigentlich ist das physikalischer Unsinn, weil die volatile, nicht bedarfsgerechte Windenergie nicht grundlastfähig ist, kaum zur „Versorgung“ einer Industrienation taugt und auf verfügbare Regelenergie, vor allem durch Gaskraftwerke, zur Erhaltung der Netzstabilität bei Flaute, Schwach- oder Starkwind angewiesen ist. Derzeit sind ca. 30.000 Onshore-Windkraftwerke unterschiedlichster Nennleistungsdaten in Deutschland installiert. Die dadurch entstandenen Probleme, sind bekannt: Anwohner und Kritiker organisieren sich in Bürgerinitiativen und Vereinen, wie z.B. der Initiative „Vernunftkraft e.V.“ oder der „Deutschen Schutzgemeinschaft Schall für Mensch und Tier e.V.“, um auf die gesundheitlichen Belastungen durch den weitreichenden tieffrequenten Schall oder die Gefährdung von Vogel- oder Fledermausarten durch den Betrieb der Anlagen aufmerksam zu machen. Proteste und faktenbasierte Bedenken prallen an Politikern nicht nur im Bundestag ab. Auf kommunalpolitischer Ebene gibt es nicht selten Verquickungen von Ratsmitgliedern, die über Windkraftprojekte abstimmen und später an finanziellen Erträgen der Windkraftanlagen beteiligt sind, über die sie abgestimmt haben. Dies ist nur mit Hilfe von Handelsregisterauszügen zu durchleuchten (Link: https://www.wattenrat.de/2016/05/15/im-nest-der-windenergie-samtgemeinde-holtriem-in-westerholtlk-wittmund-kluengel-und-filz-laesst-windkraftanlagen-spriessen/).
Stahlbeton im Untergrund
Ebenfalls im Untergrund schlummert ein Problem, das nur wenig Aufmerksamkeit bekommt: die Stahlbetonfundamente der Windkraftanlagen. Windkraftwerke haben eine ungefähre Betriebsdauer von 20 Jahren, die Förderung von Windkraftanlagen nach dem Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) lief 2020 aus und wurde durch ein kompliziertes Ausschreibungsverfahren ersetzt. Vor 2020 wurden vielerorts Windkraftwerke „repowert“, also die abgängigen Altanlagen gegen leistungsfähigere, größere und schwerere Anlagen ersetzt, um weiterhin die Förderung zu bekommen. Die neuen Anlagen bekamen auch neue und wesentlich größere Stahlbetonfundamente mit einem Gewicht von über 3500 Tonnen; die Altfundamente sind nicht wiederverwendbar und müssen nach dem Baugesetzbuch und einem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes (3. Senat, Aktenzeichen 3 UZ 2619/03, vom 12.01.2005) vollständig entfernt werden. Tatsächlich wurden die Altfundamente aber örtlich nur teilweise von ca. 1 Meter bis 1,50 Meter unter Geländeoberkante entfernt. Auf weichen Untergründen wie Marschböden wurden die Fundamente zusätzlich mit mehreren ca. 15 Meter langen Betonstreben gesichert, auch die verblieben im Boden. Diese Stahlbetonreste rotten nach nur zwanzig Jahren Betriebsdauer nun für unabsehbare Zeit im Boden und werden vielleicht in später Zukunft Archäologen beschäftigen. Ob die Betonreste Auswirkungen auf das Grundwasser haben werden, ist Gegenstand von Untersuchungen.
Beispiel Windpark Utgast im Landkreis Wittmund/Niedersachsen
Am Beispiel des Windparks Utgast im ostfriesischen Landkreis Wittmund in Niedersachsen lässt sich „eigenwilliges“ Behördenverhalten bei der Entfernung oder besser Nichtentfernung von Altfundamenten belegen. Als Mitarbeiter einer kleinen Naturschutzgruppe, dem Wattenrat Ostfriesland (Link: www.wattenrat.de), beobachte und dokumentiere ich die Entstehung des Windparks seit 1995 und den Verlauf des Repowering. Der Windpark Utgast wurde 1995 mit 51 Anlagen überwiegend des Typs „Tacke TW 600“ in Betrieb genommen, eine nach heutigen Maßstäben kleine Anlage von 0,6 Megawatt Nennleistung und 72 Metern Gesamthöhe. Zur Erschließung des Windpark auf fast 2 Quadratkilometern Fläche wurde ein ca. 10 Kilometer langes schwerlastfähiges Straßennetz gebaut, in das auch Müll einer aufgelassenen Deponie eingearbeitet wurde. Die Tacke-Altanlagen wurden ab 2017 mit 42 Anlagen des Typs „Enercon- 70“ mit einer Nennleistung von 2,3 Megawatt und einer Gesamthöhe von fast 100 Metern ersetzt.
Der Norddeutsche Rundfunk und die Falschmeldung
Der Norddeutsche Rundfunk (Fernsehen, Panorama 3) wurde durch verschiedene Pressemitteilungen des Wattenrates auf das Repowering und den unzureichenden Altfundamentrückbau in Utgast aufmerksam und lud mich ein, vor laufender Kamera „vor Ort“ dazu etwas zu sagen. Im November 2017 fuhr ich also mit dem Drehteam in den Windpark. Bemerkenswerterweise war an diesem Tag keiner der Bagger mit den sonst weithin hörbaren Betonmeißeln zu hören, das rumänische Baggerteam verließ bei unserer Ankunft den Windpark mit den Firmenfahrzeugen. Das Kamerateam des NDR filmte einige Betonlöcher der Altanlagen, ich gab mein Statement zu den meines Erachtens unzureichenden Fundamententfernungen vor der Kamera ab. Am nächsten Tag nahmen die Rumänen die Baggerarbeiten wieder auf. Am 23. Januar 2018 wurde der Beitrag auf dem Programmplatz Panorama 3 gesendet: „Rückbau bei Windrädern oft mangelhaft“ (Link: https://www.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/Rueckbau-bei-Windraedern-oft-mangelhaft,windkraft920.html )
Auch wieder bemerkenswert: Kurz vor der Sendung rief mich der Redakteur an und erklärte, dass der Beitrag mit mir aus dem Windpark Utgast „aus redaktionellen Gründen“ gestrichen werden musste, ich kam also nicht zu Wort. In die Sendung eingeblendet wurde eine Grafik mit diesem Text: „In den rot eingefärbten Landkreisen werden die Fundamente von Windenergieanlagen nicht vollständig aus dem Boden entfernt, in den grün eingefärbten verbleiben keine Fundamentreste im Boden, die grau eingefärbten haben unsere Fragen nicht klar beantwortet.“ Der Landkreis Wittmund mit dem Windpark Utgast wurde „grün“ dargestellt: „Es bleiben keine Fundamentreste im Boden“, was eindeutig wahrheitswidrig ist. Die Frage ist, ob sich die Redaktion von Panorama 3 bei der Recherche nur auf die Angaben des Landkreises Wittmund, in diesem Falle auf das zuständige Bauamt, verlassen hat. Es gibt im Landkreis eine enge Verquickung von Windkraftbetreibern und Kommunalpolitikern, siehe oben. Dem Redakteur des NDR lag vor der Sendung zudem ein Vermerk des Landkreises zum Fundamentrückbau vor, das ich ihm übermittelt hatte:
Auszug aus dem Vermerk:
Bauamt
60/1
Wittmund, den 14.03.2012
Rückbau von Windenergieanlagen
Vermerk:
[…]
Soweit keine verbindlichen rechtlichen Vorgaben bestehen, müssen die zu treffenden Regelungen zwischen fachlichen Notwendigkeiten und Verhältnismäßigkeitsgrundsätzen abgestimmt werden. Der Ansatz liegt hier bei 1 -1,50 m unter Geländeoberkante (GOK). Ein solcher Rückbau lässt wieder eine „durchwurzelbare Bodenschicht“ (= Bodenschutz) entstehen und minimiert die Auswirkungen der Versiegelung auf ein vertretbares Maß (= Naturschutz). Seit neuestem gibt es hierzu auch eine Empfehlung des MU, der eine Beseitigung zwischen 1,50 – 2,00 m unter GOK empfiehlt. Hieran werden wir uns künftig auch orientieren. […]
(Im Original hier abrufbar: https://www.wattenrat.de/wp-content/uploads/2018/01/WKA_LK-Wittmund_Rueckbau_Vermerk_14Maerz2012.pdf )
Eine eindeutige Aussage, die von der NDR-Redaktion nicht verwendet wurde. Das heißt im Klartext, der Landkreis ignoriert die rechtlichen Vorgaben zum Fundamentrückbau und will „auf Empfehlung“ des Niedersächsischen Umweltministeriums (MU) auch weiterhin so verfahren (sich „orientieren“). Die erwähnte „Verhältnismäßigkeit“ schont zweifellos die Geldbeutel der Betreiber.
Naturschutzvorgaben beim Repowering missachtet
Der Windpark wurde nur etwa 200 Meter von einem Europäischen Vogelschutzgebiet („V63-Ostfriesische Seemarschen von Norden bis Esens“) repowert, die naturschutzfachlichen Abstandsempfehlungen (von Gerichten schon bestätig) werden mit 1.200 Metern angegeben. Das Vogelschutzgebiet wiederum grenzt unmittelbar an den Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer („Weltnaturerbe“) an, nur ca. 1500 Meter vom Windpark entfernt. Eine ausreichende vorgeschriebene Verträglichkeitsprüfung nach dem Bundesnaturschutzgesetz vor dem Bau der neuen Anlagen fand auch nicht statt. Schon die Genehmigung der neuen repowerten Windkraftanlagen stand also rechtlich auf ganz dünnem Eis, wie auch die Fachbehörde für Naturschutz im Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) nach meiner Fachaufsichtsbeschwerde feststellte. Das Schreiben ist hier abrufbar (Link: https://www.wattenrat.de/wp-content/uploads/2017/01/NLWKN_Stellungnahme_Utgast-1.pdf ).
Nur fand sich kein Kläger der klagebefugten Naturschutzverbände NABU oder BUND gegen die Verfahrensversäumnisse des Landkreises Wittmund. Auch bei einem bundesweit bekanntgewordenen Skandal machte der Landkreis Wittmund als Genehmigungs- und Kommunalaufsichtsbehörde beide Augen zu: Der „Schwarzbau“ der Umgehungsstraße Bensersiel/Stadt Esens (Link: https://www.wattenrat.de/2020/11/11/schwarzbau-umgehungsstrasse-bensersiel-klaeger-einigt-sich-mit-stadt-strasse-jetzt-legal/ ) im besagten Vogelschutzgebiet, aber das ist eine ganz andere Geschichte…