Wenn man in Sarkasmus verfallen will, müsste man sagen, dass der Knallhart-Lockdown wenigstens ein Gutes hat: So ein Anschlag kann sich in diesem Jahr nicht wiederholen. Aber natürlich ist der Lockdown nicht als Anti-Terrormaßnahme gedacht.
Auch nach vier Jahren und mehreren Untersuchungsausschüssen sind die Hintergründe des Terroraktes nicht aufgeklärt. Weder die Rolle des Terroristen Anis Amri als Verfassungsschutzagent, noch die Tatsache, warum die Warnungen der Marokkanischen Behörden vor Amri nicht ernst genommen wurden, warum sein vermutlicher Mittäter abgeschoben wurde, bevor er vor den Untersuchungsauschuss treten konnte und vieles Andere bleibt im Dunklen.
Dazu zählt unter anderem die Frage, ob Amri tatsächlich Einzeltäter war, wie es die Bundesanwaltschaft darstellt, oder Teil eines – möglicherweise auch internationalen – Netzwerkes dessen Verbindungen bis nach Italien reichen. Bekanntlich war Amri im Juli 2015 in einer einer Gruppe aus Italien eingereist.
Ein anderes Mitglied dieser Gruppe war Bilel Ben Ammar, ein möglicher Komplize Amris. Beide trafen sich nachweislich am Abend vor dem Anschlag. Deshalb wurde gegen Ben Ammar durch die EG City des Bundeskriminalamtes wegen des Mehrfachmordes ermittelt. Dennoch ließ ihn die Bundesanwaltschaft am 1. Februar 2017 nach Tunesien abschieben. Man könnte darin einen Fall von Strafvereitelung im Amt sehen.
Vor allem aber sind die Opfer des Anschlags sehr schnell aus dem Blick geraten.
Das Präsidium des Bundestages hatte in Abwesenheit der Parlamentarier beschlossen, auf eine Gedenkfeier zu verzichten. Widerspruch von den Abgeordneten gab es dazu nicht. Auch der damals neu gewählte Berliner Senat beschäftigte sich als erste Amtshandlung nicht mit den Toten und Verletzten des Terrors, sondern mit Aborten. Damit wollte der neue Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) „Hürden im Alltag beseitigen – Unisextoiletten in öffentlichen Gebäuden einrichten“. Behrendt, seit dem 8. Dezember auch für die Antidiskriminierung zuständig, reagierte damit auf einen Antrag der ehemaligen Piratenfraktion im Abgeordnetenhaus vom 26. März 2014. Die schärfste Satire kann sich einen solchen grotesken Realitätsverlust nicht ausdenken.
Doch der permanente Druck der Berliner hatte den Senat auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Die Staatskanzlei wurde gezwungen, das Gedenken an die Opfer angemessen zu gestalten und zu begleiten. Das passierte aber erst, als einige Qualitätsmedien das Thema, das vorher nur in den sozialen Netzwerken diskutiert wurde, aufgriffen. Danach sah sich auch der Bundestag veranlasst, seinen ursprünglichen Beschluss zu revidieren. Man kann die Politiker zum Handeln zwingen! Öffentlicher Druck hat Erfolg!
Am vierten Jahrestag des Anschlags ist es ziemlich still um das Ereignis, dass nicht nur Berlin und Deutschland, sondern die ganze Welt aufwühlte.
Heute findet eine Gedenkandacht für die Opfer des Attentats in der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche statt. Man kann diese Feier im Livestream verfolgen.