Von Gastautor Josef Hueber
Wie man Kinder auf Eltern ansetzt, unter der vorgeblich hehren Absicht des Einsatzes für mehr Menschlichkeit
oder: Antirassismus als Ausdruck menschenverachtenden Pseudohumanismus
Märchen gelten zu Unrecht als Orte des unbeschwerten Verträumtseins oder paradiesischen Nichtstuns, wie dies etwa in den Alltagsbegriffen Märchenhochzeit oder Schlaraffenland zum Ausdruck kommt. Sind sie aber nicht eher Schulungsorte für die Entwicklung von Realitätssinn, weil sie Erfahrungen mit dem Guten wie mit dem Bösen visualisieren? Der vielleicht bekannteste Repräsentant des Bösen im Märchen ist der Wolf. Er ist ein Könner in der Verstellung, indem er vorgibt zu sein, was er nicht ist. In der Geschichte von den sieben Geißlein frisst er Kreide, um sich mit verstellter Stimme als vorgeblich gute Mutter Zugang zum Haus der Geißenkinder zu erschleichen, wo er sich dann aber als verlogener Unhold entlarvt. Seitdem gilt das Bild vom Kreide fressen als Symbol für schmeichelnde Worte, hinter denen eine unlautere Absicht steckt.
WikiHow – die Kreidestimme des Antirassisten
Die von der Internetplattform WikiHow vorgetäuschte Bereitschaft, in allen Fragen des Alltags Hilfe zu gewähren, (eine achtbare Einstellung) erweist sich im Kapitel Rassismus als wölfische Gesinnung, indem sie, unter dem Vorwand, von Vorurteilen ungetrübte Menschenbegegnung zu fördern, Misstrauen und damit den Geist der Denunziation zwischen Eltern und Kindern sät.
Wikihow (nachfolgend WH), die Webseite, nach dem Vorbild von Wikipedia 2005 etabliert, will praktische Hilfe geben, in Form von „Tutorials“ und „Howtos“, einer Art Gebrauchsanweisungen, „ wie man alles macht.“ Die Homepage bezeichnet sich selbst als „vertrauenswürdig“.
Eine Auswahl der Themen sieht zunächst ganz praktisch aus. Man lernt, wie man dickes Plastik schneidet, aber auch, wie man Geld spart, Teig knetet oder zu Berühmtheit gelangt.
Weniger harmlos wird es beim aktuellen Mega -Thema „Rassismus“. Hier lohnt sich ein gründlicher Blick in die Trickkiste der Menschenfreunde. Nachdem man seinen Augen beim ersten Lesen der Überschrift vielleicht nicht ganz traut, bestätigt sich beim zweiten Blick, dass hier ein heißes Eisen angepackt wird. Es geht um die Erfahrung von Kindern, grundlegend falsches Denken bei ihren Eltern zu diagnostizieren. Hier will man Rat geben, was zu tun ist. WikiHow steht Ideologie bei Fuß.
„Mit rassistischen Eltern richtig umgehen“
Dass es sich bei der Erfahrung, rassistische Eltern zu haben, nicht um einen harmlosen Einzelfall handelt, wird schnell klar: „ Rassismus gibt es überall, auch in der eigenen Familie.“ Vorher verabreicht WH ein Beruhigungsmittel gegen den vermuteten Schock bei dem Sprößling, der erkennen muss: Oh Gott! Meine Eltern sind Rassisten! Um den vor der Lektüre des WH-Materials mit Vertrauen begünstigten Eltern nicht allzu großes Unrecht angedeihen zu lassen, beruhigt man: „ In den meisten Fällen sehen sich deine Eltern vermutlich gar nicht als Rassisten“, wenn oder weil etwa ihr Denken auf einem „ veralteten kulturellen Rahmenwerk“ aufbaut. Dort gibt es nämlich „rassistisch geprägte Klischees“, die (…) manchmal sogar positiv“ gesehen werden. Dies, so WH, erkenne man etwa an einer [rassistischen, Anm.d.V.] Äußerung wie „Asiaten sind sehr klug und fleißig.“
Anerkennung als Zeichen von Rassismus? Die Aufgabe des Kindes, dem WH diese Einsicht vermittelt hat, besteht nun darin, den Eltern klarzumachen, dass an ihrer „Haltung“ etwas nicht stimmt.
Anhand von mehreren Tipps wird die Vorgehensweise gegen derart irregeleitete Eltern besprochen.
Um den Handlungsanweisungen die nötige Emphase zu verleihen, unterstreichen gezeichnete Menschen im Gespräch über die jeweilig angesprochenen Anweisungen mit betroffenem Gesichtsausdruck in quasi-realistischer Manier beigefügt, was fragwürdiges Denken ist und deswegen Kritik verdient.
Blick zurück: Eltern als Objekt des Misstrauens
Unter der Überschrift „Zersetzung von Gruppen, Zerstörung von Familien- und Freundschaftsbeziehungen“ in der DDR listet Wikipedia die Methoden auf, um die immunisierende Wirkung der Familie gegenüber dem Einfluss von außen zu neutralisieren. Damit sollten „ Eltern und Kinder systematisch entfremdet werden.“
Das Kapitel „Denunziation“ auf der Seite Museenkoeln.de informiert: „ Wesentliche Voraussetzung für das Funktionieren der NS-Diktatur war die Denunziation. Denunziation reichte bis in die Familien hinein. Kinder und Jugendliche wurden dazu aufgefordert, ihre Eltern zu denunzieren.“
Die Autoren Günter Jerouschek/Inge Marßolek/Hedwig Röckelein kommen in der Studie „Denunziation – Historische, juristische und psychologische Aspekte“ zu dem Schluss:
„Wenn Kinder ihre Eltern denunzieren, wie dies während der Hexenverfolgungen im 17. Jahrhundert und während der Ter- rorwellen in der Sowjetunion wiederholt geschehen ist, erreicht die durch die Denunziationen hervorgerufene Verunsicherung ihren Höhepunkt. Der Verlust des Vertrauens im engsten Familienkreis und in der Gesellschaft insgesamt schafft und fördert ein Klima der Angst, das sich (…) wie ein Flächenbrand ausweitet.“
Ein beliebtes Kinderspiel sind die sog. Zahlenbilder. Man muss nummerierte Punkte mit Linien verbinden. Am Schluss ergibt es ein Bild, das man vorher nur schrittweise erahnen konnte.
Liegt es nicht nahe, die Punkte der gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen in Deutschland zu verbinden und das zu erwartende Gesamtbild zu erstellen? Auch wenn der Schritt von der (kompromisslosen) Kontrolle zur Denunziation noch bevorsteht?