Anmerkungen zur Hässlichkeit von Gendersprech
„Ein jeder, weil er spricht, glaubt, auch über die Sprache sprechen zu können.“ (Goethe)
Von Gastautor Josef Hueber
Die Tage der Sprachpflege als kultureller Auftrag, der in der Schule begonnen und grundgelegt wird, sind vorbei. Das Projekt „Leichte Sprache“, gekennzeichnet durch Entrümpelung in Wortschatz und Grammatik, bereitet für nachfolgende Generationen den Boden für das Fehlen sprachästhetischer Erfahrungen. Dies kommt den gendergetriebenen Verunstaltern der deutschen Sprache zupass. Ihr Verständnis von Sprache ist pragmatisch und funktionalistisch – und damit hässlich.
In Kleists Drama „Der zerbrochne Krug“, vielleicht das Beste, was deutscher Humor an tiefsinniger Komödie zu bieten hat, ist es der Täter, Dorfrichter Adam, der einen Fall von #metoo, d. h. seinen eigenen versuchten sexuellen Übergriff auf das einfache Mädchen Eve, mit einem (selbst) gerechten Fake-Urteil abschließen möchte. Dumm gelaufen nur, dass bei der Verhandlung der Gerichtsrat aus Utrecht zufällig und unangekündigt der Verhandlung beiwohnt. Der eigentliche Schurke, der Richter, windet sich während der Verhandlung wie eine getretene Schlange, entkommt aber nicht dem täuschungssicheren Blick des Revisors. Im Verlauf der Verhandlung, die den Kontrolleur immer ungeduldiger werden lässt, bemerkt dieser gegenüber Adam: „In Eurem Kopf liegt Wissenschaft und Irrtum geknetet, innig, wie ein Teig, zusammen.“
Überlegungen zur Sprache – eine teigige Angelegenheit
Die Aussage des Revisors zwängt sich geradezu auf, wenn man sich den – längst wohl nicht letzten – Beitrag zum Thema Gendersprache, diesmal von David Bauer und Marie-José Kolly, zu Gemüte führt. Der gezwungen geistreich wirkende Titel:„ Wenn Männer über Männer reden, reden Männer Männern nach.“ Es ist ein Mustermix aus Ideologie und Wahrheit, mit deutlichem Überhang der Ideologie.
Womit hat man es hier zum xten Mal – intellektuelle Übelkeit steigernd – zu tun? Natürlich geht es um die mangelnde Fairness der deutschen Sprache, um die „Diskriminierung“ von Frauen und „nicht-binären“ Menschen mittels des grammatischen Geschlechts. Es ist immer dasselbe Lied: Die von Männern geprägte Sprache tue in vielen Bereichen so, als gäbe es keine Frauen, und sie promote dabei sexistisch diskriminierende (heißt demnächst „rassistische“) Vorurteile. Indem wir Normalsprecher, allesamt sprachnarkotisierte, sprachmanipulierte Sexisten, etwa in einem Notfall, in der Formulierung ein Chirurg wird benötigt gar nicht erwarten, dass es auch eine Frau sein könnte.
Der mit dem Nudelholz breitgewalzte Teig der 0815- Argumente pro genderorientierter Sprachmisshandlung soll hier nicht im Detail ausgelegt werden.
Sprache- nur ein Werkzeug zur „Kommunikation“?
Viel interessanter ist es, das grundlegende Defizit genderorientierter Sprachbetrachtung in den Fokus zu nehmen. Es ist die Unkenntnis dessen, was Sprache im umfassenden Sinn ausmacht.
Eine Reise verfehlt ihr Ziel, wenn gleich zu Beginn die falsche Richtung eingeschlagen wird. Dies hört sich so an: „Wir nutzen Sprache, um zu kommunizieren.“ Ziel jeder Kommunikation sei ausschließlich: „Wir wollen verstanden werden.“ Ästhetische Aspekte der Sprache werden in der Pro-Gender-Argumentation ignoriert. „Ob bestimmte Formulierungen schön sind oder nicht, ob Wörter holprig daherkommen oder Sätze in die Länge gezogen werden, ist für die wichtigste Aufgabe von Sprache sekundär.“ Ästhetik, als ein wichtiger Anspruch an unsere Sprachverwendung, sei wie ein „schön glänzender Schlüssel“, der „nicht ins Schloss passt“.
Genau darin liegt aber des Pudels, spricht der Sprache, Kern. Dieser isolierte Blickwinkel ignoriert, dass Sprache eben nicht nur „Kommunikation“ ist (im hier unterstellt technischen Sinn), d. h. Trägerin von „Information“. Dann wären sprachliche Äußerungen nämlich letzlich nichts anderes als Datenmaterial für ein Telefonbuch.
Wie sehr Sprache – ähnlich einer Melodie – in ihrer „Schönheit“ noch viel mehr als „Information“ birgt und vermittelt, kann an einem Gedicht gezeigt werden.
Nehmen wir „Septembermorgen“, von Eduard Mörike.
Geht es Mörike darum, uns „Informationen“ über einen herbstlichen Sonnenaufgang zu vermitteln? Der Klang der Wörter, die Vokalstruktur, der Satzbau, also die „Melodie“, all dies ist weit mehr als „Information“.
Das sei Poesie, mag der Gendersprecher einwenden. Dies habe nichts mit dem Gebrauch der Sprache im Alltag zu tun.
Die Fehleinschätzung dieser Aussage liegt in einer scheinbar legitimen Polarisierung von Alltagssprache und Gedichtsprache, weil sie Ähnlichkeiten aus dem Blick nimmt. Denn auch die Alltagssprache transportiert Ästhetik über Klang, Wort- und Satzbildung. Auch nicht-poetische Formulierungen wecken angenehme oder unangenehme ästhetische Empfindungen. Die von Nachrichtensprechern und Talkshow-Größen zunehmend verwendeten *innen-Formulierungen mit Sprechpausen, die nach Unterbrechung der Übertragung klingen, zeugen davon. (Wortschöpfungen, wie sie genderbemühte Sprachverhunzer*innen kreiert haben, möge man bei Bedarf selbst recherchieren. Josef Kraus bietet in seiner Kolumne“Kirche als Gender-Sekte“ reichlich Material).
Das wüste Land – Heimat von Gendersprech
Das gendergeprägte, letztlich banale Verständnis von Sprache als bloßem Werkzeug, die Reduktion auf einen Funktionalismus meint die ästhetische und damit emotionale Seite von Sprache mit einem Handstreich vom Tisch wischen zu können. Formulierungen wie „mag sein“ oder „sekundär“ bei der Erwähnung von Gegenargumenten sind in besagtem Aufsatz Zeichen gedanklicher Dürre.