Von Gastautorin Dr. Sauer
Die mit viel Pathos und wenig Evidenz auferlegten Restriktionen im Kampf gegen den großen Feind Corona und für die Reinheit des Volkes, Verzeihung, der Bevölkerung, werden von immer mehr Menschen in ihrer Sinnhaftigkeit hinterfragt. Bezeichnenderweise steigt in gleichem Maße die Aggressivität gegenüber denjenigen, die sich trauen, ihre Kritik öffentlich zu äußern. Es lässt sich feststellen, dass eine Menge erwachsener Menschen gerade wie kleine Kinder reagiert. Und zwar so wie Kinder, die wissen, dass die Eltern ihnen Unrecht tun, aber trotzdem auf das Geschwisterchen einprügeln, welches es als einziges wagt, sich zur Wehr zu setzen, denn sie fürchten wegen des Widerspruchs des Kleinen die Kollektivbestrafung durch die Großen.
Da dürfen wir nun wieder ein klein bisschen an der Freiheit schnuppern, stets verbunden mit der Drohung, dass, wenn wir uns nicht ordentlich („rücksichtsvoll“) benehmen und „die Zahlen“ wieder in die Höhe gehen, sich die Käfigtür auch ganz schnell wieder verschließen kann. Wie sich das anfühlt und auch, wie flott das gehen kann, davon haben ja alle einen Vorgeschmack bekommen in den letzten Wochen. Die so erzeugte Angst mittels Einschüchterung schafft blinden Gehorsam. Zu den Maulkörben im Laden und im Bus gesellen sich mancherorts inzwischen Schwimmnudeln auf den Schultern unserer Grundschulkinder oder – ganz freiwillig getragen – Propeller auf den Köpfen von Restaurantbesuchern als Abstandsmarkierer. Ich weiß nicht, was noch alles dazukommt, um die – Entschuldigung – Blödheit, Unterwerfung und Demütigung eines ganzen Volkes zu visualisieren. Einen bedeutsamen Einfluss auf das Infektionsgeschehen haben alle diese Maßnahmen mit großer Wahrscheinlichkeit jedenfalls nicht.
Ich suche vergeblich seit Monaten den gesunden Menschverstand. Unsere politischen Entscheidungsträger sind vom Verleugnen und Bagatellisierung am Anfang der Coronaepidemie direkt in den Panikmodus verfallen, in dem wir uns seither noch immer befinden. Wer nicht mit dem Strom mitschwimmt, wird stets und ständig als Spinner, Verschwörungstheoretiker oder Rechtsextremist diffamiert. Ich erlebe es, dass die selben Leute, die mich zu Beginn der Epidemie wegen meiner Vorsicht verlacht haben, während sie sich selbst mit ihrer eigenen Sorglosigkeit brüsteten, mich jetzt als rücksichtslos, egoistisch und bescheuert beschimpfen, weil ich nun, bei deutlich rückläufigem Infektionsgeschehen und viel besserem allgemeinen Kenntnisstand über die Erkrankung, keine Angst mehr vor einer Überlastung unseres Gesundheitswesens durch Covid-19-Patienten habe und dementsprechend nicht jeden geforderten Quatsch mitmache.
Es sind übrigens die selben Leute, die die forcierte kulturfremde Massenimmigration bilderbuchromantisch als Bereicherung verklärt haben. Die Furcht vor etwas Fremden oder auch nur eine gewisse Zurückhaltung gegenüber dem Unbekannten, dem möglicherweise auch etwas Bedrohliches innewohnen kann, so lange man es noch nicht näher kennengelernt hat, ist bei ihnen nicht ausgebildet oder gar als etwas Schlechtes aberzogen worden, obwohl es sich dabei eigentlich um einen Überlebensinstinkt handelt. Dafür sind sie umso leichter manipulierbar und steuerbar. Reichen die moralische Aufwertung und der Machtzuwachs zum Gefügigmachen nicht aus, wird die Prise Angst eben erhöht. Wir sehen gerade, wie die, die sich selbst als die größten Nonkonformisten betrachten, in Wirklichkeit die bravsten Untertanen sind. Große Kinder eben, die nur Rabatz machen, wenn man es ihnen ausdrücklich erlaubt, dann dafür aber umso tüchtiger. Oder besser gesagt, Erwachsene, die nie erwachsen geworden sind.
Und obwohl man es kaum mehr glauben mag, es gibt tatsächlich auch jetzt noch Personen, die sich, abseits des medialen Rummels, mit dem Coronavirus infizieren. Das tun sie in aller Regel nicht in der Bahn, beim Frisör, im Supermarkt oder auf der Demo. Nein, die Übertragung findet mit großer Wahrscheinlichkeit genau dort statt, wo das Risiko nach wie vor am größten ist: in der Arztpraxis, im Krankenhaus, im Alten- oder Pflegeheim. Dort, wo es oftmals immer noch an adäquater Schutzausrüstung mangelt und die Leute besonders vulnerabel sind. Die in der Breite angelegten wirtschafts-, demokratie- und menschenfeindlichen Maßnahmen können nichts an dieser Tatsache ändern, höchstens zu verschleiern versuchen. Was sie dafür aber schaffen, ist nicht nur die Stigmatisierung derer, die aus der Herde ausscheren, sondern auch von denen, die tatsächlich an Covid-19 erkranken, was in der Folge das Infektionsrisiko sogar wieder erhöhen kann, obwohl vordergründig das Gegenteil der Fall ist.
Es gibt Coronakranke, die sich mit ihrer „Frühlingsgrippe“ hartnäckig weigern, einen Arzt zu kontaktieren, damit sie bloß nicht Gefahr laufen, auf Corona getestet zu werden und dann daran schuld sind, dass „die Zahlen“ wieder hochgehen, wofür in der Folge alle zu büßen hätten. Oder welche, die mit eindeutiger Symptomatik, aus Scham gleich erstmal für mehrere Wochen in ihrer Gartenlaube verschwinden, um das Ganze dort auszustehen und nicht dem Gericht der, ach so aufgeklärten, Nachbarschaft auf der Suche nach Fehlverhalten, zum Opfer zu fallen. Es gibt sogar Menschen, die beim Versuch, dass keiner was von ihrer Erkrankung mitkriegen soll, sich nicht mehr ausreichend selbst versorgen können und sterben, obwohl man ihnen hätte helfen können. Bleibt die Frage, wie diese Toten dann eigentlich zu werten sind: vermutlich als ein bisschen an dem Virus, ein bisschen mit dem Virus, aber durchaus auch als an den Folgen der kollektiven Coronahysterie Verstorbene, deren Last sie als Einzelne psychisch nicht mehr zu tragen imstande waren – mit allen Konsequenzen.
Während es anfangs vornehmlich der Kampf um Schutzausrüstung war (*), so sind es zunehmend die psychischen Folgen der Coronaabwehrmaßnahmen, die mich bei meiner Arbeit als Ärztin beschäftigen, wobei ich allerdings denke, dass wir uns damit erst am Anfang befinden. Mit ansteigender Zahl an Pleiten, Existenzvernichtungen und Lebensentwurfszusammenbrüchen wird auch die Zahl der Depressionen, Süchte und Suizide in die Höhe schnellen. Neben der therapeutischen Versorgung psychisch Erkrankter, die bei abnehmender gesamtgesellschaftlicher Wirtschaftsleistung und damit einhergehender sinkender Kapazität unseres Gesundheitswesens vermutlich noch schwieriger und lückenhafter werden wird, als sie es vor dem Lockdown schon war, halte ich eine breit angelegte Prävention psychischer Folgeschäden momentan für essentiell.
Hierbei wäre zum einen der Abbau der diffusen Ängste zu nennen; und zwar durch Bewusstmachen ebendieser, verbunden mit einer Nachreifung der eingangs beschriebenen kindgebliebenen Persönlichkeitselemente. Jedoch muss dies sozusagen im Schnelldurchlauf geschehen, damit das Individuum zügig wieder handlungsfähig wird und nicht mehr vor lauter Angst auf denjenigen losgeht, der den Mut hat, das eigene Unbehagen auszudrücken, sondern in ihm möglicherweise gar einen Verbündeten sieht und ihn (mindestens im Stillen) unterstützt.
Zum anderen ist es die Resilienzförderung; sprich das zügige Auffinden von Ressourcen und Erlernen von Strategien, um mit den kommenden widrigen Umständen, denen es ins Auge zu blicken gilt, aktiv umzugehen, damit man sich selbst und seine Lieben schützen kann und auch, um seelisch dabei heil zu bleiben.