Siebenundzwanzigster Dezember 1989
Der Zentrale Runde Tisch tritt zum vierten Mal zusammen. Wieder ist die Auflösung der Staatssicherheit Thema, die von der Regierung Modrow trickreich hintertrieben wird. Schließlich wird ein Beschluss angenommen, der die Bildung neuer Geheimdienste bis zur Wahl am 6. Mai untersagt.
Diese Auseinandersetzung zeigt das schier unlösbare Problem des Runden Tisches. Auf der einen Seite die in der Revolution entstandenen neuen Gestaltungsansprüche der Oppositionsgruppierungen, auf der andern Seite der Versuch der SED, mittels des Runden Tisches ihre bröckelnde Macht zu stabilisieren. Dafür will sie auch die Bürgerbewegung instrumentalisieren.
Die SED bringt am Runden Tisch einen von Ministerpräsident Modrow angeregten „Entwurf einer Ordnung über die Tätigkeit von Bürgerkomitees“ ein. Darin wird behauptet, dass die Regierung die Bürgerbewegung unterstütze. Es könnten sich allerdings nur Bürgerkomitees gründen, die an „die Verfassung, die Gesetze und andere Rechtsvorschriften“ gebunden seien. Sie sollten eine „Sicheitsheitsgemeinschaft“ mit der „Volkspolizei und den anderen zuständigen Organen“ bilden und „kommunale Probleme und Anliegen der Bürger gemeinsam mit den dafür zuständigen staatlichen Organen“ bearbeiten.
„Die Handlungsfähigkeit der örtlichen Volksvertretungen, ihrer Räte und anderer Staatsorgane muss gewährleistet bleiben.“ In Konfliktfällen sollten die „übergeordneten Staatsorgane“ das letzte Wort haben.
Im Klartext: Modrow versuchte mit diesem Coup die Bürgerrechtsbewegung in eine Art Neuauflage der Nationalen Front zu locken, die der SED vierzig Jahre zu Diensten war und erfolgreich zu ihrer Machtsicherung beigetragen hatte. Allerdings war der Entwurf in einer Sprache abgefasst, der allzu sehr an die alte SED erinnerte, so dass seine Annahme durch den Runden Tisch scheiterte.
Nur die SED stimmte ihrem Text zu. Nicht einmal die Blockparteivertreter wollten dafür ihre Hand heben. Die Opposition machte noch einmal unmissverständlich klar, dass sie auf einer öffentlichen Kontrolle der Regierung bestand. Dagegen machten Lothar de Maizière von der CDU und Lothar Bisky von der SED geltend, dass ein „Vetorecht“ des Runden Tisches zur Regierungspolitik die Lage im Land „destabilisieren“ könnte.
Es wurde dennoch beschlossen, dass alle Gesetzes- und Regierungsvorlagen dem Runden Tisch vorgelegt werden müssten. Unklar war, ob Ministerpräsident Modrow sich daran halten würde.