Dreizehnter Oktober 1989
Partei- und Staatschef Erich Honecker gibt noch immer nicht auf. Er trifft sich mit den Chefs der „befreundeten“ Blockparteien, um sie als Verbündete für ein gewaltsames Beenden der Demonstrationen zu gewinnen. Nur einer wagt, ihm zu widersprechen. Der Vorsitzende der Liberalen, genannt LDPD, Manfred Gerlach, hatte den Mut, Honecker ins Gesicht zu sagen, was er an diesem Tag in der LDPD-Zeitung Der Morgen veröffentlicht hatte.
Unter Berufung auf den sowjetischen Parteichef Gorbatschow bestritt er, dass eine „Partei im Sozialismus a priori […] die politische Wahrheit für sich hat.“ Deshalb müsse es zum Dialog kommen, in den auch die Bürgerbewegungen einzubeziehen seien.
Für diese Worte, die freilich nicht viel mehr bedeuteten, als den Versuch Gerlachs, die Bürgerbewegung durch Integration zu neutralisieren, wurde der LDPD-Chef kurzzeitig zum Hoffnungsträger der Demonstranten.
Die Titelzeile des Neuen Deutschland klingt wieder mal wie eine Parodie auf die Aktivitäten des SED-Chefs: „Ideenreich und tatkräftig arbeiten wir für das Wohl des Volkes“.
Das Volk interessiert sich für ganz andere Ideen, z. B. die von Bundesaußenminister Genscher, der auf einem Kongress der Europaunion in Hamburg die Bereitschaft der Bundesregierung zu einem Dialog mit allen politischen Kräften in der DDR bekräftigt.