Oder: Rechtsberatung als Transportmittel politisch korrekter Wirklichkeitserfassung
von Gastautor Josef Hueber
Schule ist der ideale Truppenübungsplatz zur Vermittlung politisch korrekten Denkens. Ohne die Lehrer geht das freilich nicht. Deswegen muss man ihnen klarmachen, wo falsches Denken lauert: natürlich in den „rechten“ Schulbänken! Aber guter Rat ist nicht teuer, wie ein Artikel in der Zeitschrift des Bayerischen Philologenverbandes zeigt.
ELTERN UND LEHRER – DER RECHTSANWALT IST IMMER DABEI
Elternsprechstunden waren einmal willkommene Gelegenheiten, über den Zögling ( natürlich auch die Zögling_in ) zu sprechen und fachliche, aber auch pädagogische Beobachtungen weiterzugeben und auszutauschen. Beide, Eltern und Lehrer, trafen sich- cum grano salis – meist auf Augenhöhe.
Die Zeiten haben sich geändert. Mittlerweile steht in der Sprechstunde hinter jedem Erziehungsberechtigten, unsichtbar, wie der Kobold in der Kinderserie Meister Eder und sein Pumuckl, der Rechtsanwalt. In Anlehnung an den Roman Die Angst des Tormanns beim Elfmeter von Peter Handke gilt heute die Angst des Lehrers vor streitbaren Eltern.
Wertevermittlung heißt deswegen in der Zeit der pädagogischen Korrektheit: Ja nichts politisch Inkorrektes von sich geben! Denn nahezu alles „Rechte“ ist heute juristisch angreifbar.
GUTER RAT IST POLITISCH KORREKT
Kein Wunder also, wenn in der neuesten Ausgabe 5-2019 des Lehrermagazins Das Gymnasium in Bayern, herausgegeben vom Bayerischen Philologenverband, ein professoraler Artikel titelt: „Was man sagen darf: Mythos Neutralität in Schule und Unterricht”.
Die Hilfestellung in einem Klima öffentlicher Diffamierungsbereitschaft gegenüber Konservativem, die sich in der Bundesrepublik zunehmend breitmacht, könnte man eigentlich gutheißen, wenn nicht, ja wenn nicht in diesem Artikel genau die Diffamierung stattfände, vor der man Schutz mittels Beratung zu gewähren vorgibt. Dies findet jedoch auf subkutane Weise statt, wie sich zeigen wird. Hintertückisch: Im besagten Artikel sieht alles nach Sorge um Demokratie und freie Meinungsäußerung aus, der Autor will aber den Blick auf deren beider Gefährdung nur nach rechts gerichtet wissen. Im Klartext: Linkes Gedankengut ist keine Gefahr in der Schule, es braucht nicht erwähnt zu werden.
NOCH SACHLICH: DIE AUSGANGSLAGE
Der Autor legt zunächst die Problemlage dar. ( Die verquaste Gender-Rechtschreibung ist dem Original entnommen.)
Man lese: „Lehrer_innen sollen im Unterricht keine Politik machen, sondern sich parteipolitisch neutral verhalten.” Es gibt Informationen zu Beamtenrecht und Schulrecht, was dann zu dem „Grundrecht der Meinungsfreiheit” überleitet: „Lehrer_innen können sich ebenso wie Schüler_innen auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit berufen.” Dies werde allerdings durch das „Amtsrecht und das Schulrecht” eingeschränkt. „Das Schulrecht verpflichtet Lehrer_innen, ihre Schüler_innen im Geiste der Verfassung zu bilden und zu erziehen.” Dadurch ergebe sich eine Einschränkung der Meinungsfreiheit. (Wunderbar! Wer wollte dagegen als demokratisch Gesinnter argumentieren?)
DAS PROBLEM: „RECHTE“ SCHÜLER
Dies vorausgesetzt, geht der Autor dazu über, mögliche – und in diesem Kontext für ihn wohl typische – Situationen der zu diskutierenden Meinungsäußerungen, wie sie sich im Unterricht und im Schulbereich ergeben können, anzuführen und empfohlene korrekte Reaktionen von Lehrern im Ratschlagmodus aufzuführen.
Abgesehen von des Autors lächerlichem Kotau vor der ästhetisch und orthographisch unerträglichen Genderschreibweise sind die Beispiele ein raffiniert versteckter Hinweis darauf, dass die Grenzen der Meinungsfreiheit solchen Schülern aufgezeigt werden müssen, bzw. dass solche Schüler zurechtgerückt werden müssen, die politisch „rechts” zu verorten sind. Nur die „Rechten“ geben Anlass, über Meinungsfreiheit und Neutralitätsgebot nachzudenken.
Hier eine Auswahl der aufgeführten (frei erfundenen) Schüler-bzw. Lehrer-Äußerungen, die dahinter stehende („rechte“) Botschaft im Subtext von mir in Klammern.
– „Ein_e Schüler_in sagt ‘im Spaß’ : ‘Deutschland ist eigentlich viel größer als auf der Karte, die Grenzen von vor 1945 gehören doch auch dazu.’”
(⇒ „rechter“ Geschichtsrevisionismus)
– „Schüler_in fordert : ‘Deutsche zuerst! Unser Sozialversicherungssystem sollte grundsätzlich Deutsche bevorzugen.’”
(⇒ Trump / America first / Nationalismus)
– „Schüler_in behauptet: ‘Ausländer sind zu faul zum Arbeiten und wollen uns nur unser Geld aus der Tasche ziehen.’”
(⇒ Neiddebatte / Xenophobie)
– „Schüler_in schließt von einer ihm / ihr bekannten Person auf alle: ‘Flüchtlinge sind eigentlich reich, das sieht man ja schon an dem Smartphone, das XY besitzt.’”
(⇒ Pauschalisierung/ Neiddebatte)
– „Schüler_in: ‘Ich finde, die Partei XY sollte verboten werden, weil sie gegen Ausländer wettert und Unsicherheit schürt.’”
(⇒ AfD / Xenophobie)
– „Lehrer_in: ‘Die Partei XY sollte verboten werden, weil sie gegen den Islam wettert.’”
(⇒ AfD / gegen Religionsfreiheit / Rassismus)
– „Schüler_in bringt lautstark seine / ihre Vorliebe für eine bestimmmte Musikrichtung zum Ausdruck, die sich klar gegen Ausländer oder Geflüchtete bzw. Asylbewerber richtet.”
(⇒ Xenophobie / Rassismus)
– „Eine Gruppe von Schüler_innen trägt Jacken, die einer extremen politischen Richtung zuzuordnen sind.”
(⇒ T-Shirts mit Darstellungen von Che Guevara, Fidel Castro und Mao sind vermutlich nicht mitgedacht?)
DER FIKTIVE HITLERGRUß ALS ARGUMENT GEGEN KONSERVATIVISMUS
Den Höhepunkt der konstruierten Beispiele bildet die folgende – in den Augen des Autors wohl typische – pädagogische Alltagssituation:
– „Kurz nach Unterrichtsende zeigt ein_e Schüler_in im Klassenzimmer den Hitler-Gruß.“
Endlich ist man didaktisch dort angelangt, wo politisch korrektes Denken und Meinen grundgelegt wird: in den Klassenzimmern unserer Schulen. Das (konstruierte) Beispiel eines mit Hitlergruß auftretenden Schülers unterstellt ein fortgeschrittenes Entwicklungsstadium von zu bekämpfendem Rechtsradikalismus in Deutschland. Dieses Muster ist bekannt. Es soll als Legitimation für einen Rundumschlag gegen alles Konservative herhalten. Konservatives Denken in Form von Nazi-Fratzen schon in Klassenzimmern als Gefahr zu unterstellen ist aber Ausdruck eines verlogenen Zynismus, vor allem dann, wenn damit vorgegaukelt wird, auf diese Weise Erziehung zu Demokratie und Toleranz zu leisten.