Seit dem Terroranschlag auf den Weihnachtsmarkt von Berlin überschlagen sich die Politiker mit Vorschlägen, wie die innere Sicherheit unseres Landes aufrechterhalten werden kann. Obwohl der Attentäter ein den Behörden wohlbekannter Gefährder war und sogar einem V-Mann seinen Wunsch offenbarte, einen möglichst wirksamen, also tödlichen Anschlag verüben zu wollen, wurde die Überwachung des Mannes beendet.
Anstatt dieses immense Versagen unserer Sicherheitsbehörden zu diskutieren und die politisch Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, wird eine Ausweitung der öffentlichen Überwachung in Angriff genommen.
Der Terrorist Amri ist keine Ausnahme. Nach Recherchen des Spiegel-Kolumnisten Sascha Lobo waren bei fünf islamistischen Terroranschlägen von 2014 bis 2016 in Paris und Brüssel 17 Terroristen beteiligt. Davon waren 15! den Behörden als einschlägige Gefährder bekannt. Geändert hat sich aber nicht der Umgang mit den Gefährdern, sondern die Anschläge wurden von der Politik genutzt, um die Überwachung der Bevölkerung auszubauen.
Viele Menschen scheint das nicht zu stören, denn sie sind der irrigen Meinung, flächendeckende Videoüberwachung würde ihre Sicherheit erhöhen. Schließlich hätten sie auch nichts zu verbergen.
Wie wenig die Videoüberwachung die Terroristen stört, demonstrierte der Massenmörder Amri, als er zu Beginn seiner Flucht sich vor eine Videokamera am Bahnhof Zoo postierte und den IS-Gruß zeigte. Danach bewegte er sich durch Europa wie ein Fisch im Wasser, ungeachtet der zahllosen Überwachungskameras auf Bahnhöfen und öffentlichen Plätzen.
Wie sehr die flächendeckende Überwachung aber die Privatsphäre der Menschen verletzt, die nichts zu verbergen haben, zeigen Marc Meillassoux und Mihaela Gladovic in ihrem Film „Nothing to Hide“.
Für diesen Film, in dem zahlreiche Überwachungsopfer und Überwachungsgegner mit guten Argumenten zu Wort kommen, hatten die Filmemacher einen jungen Kreativen, der nichts zu verbergen hatte, überredet, einen Monat lang seinen Laptop und sein Handy von Analysten überwachen zu lassen, wie sie heute nicht nur für staatliche Behörden, sondern auch für große Firmen arbeiten. Die Verabredung war, dass sie nur sein Bewegungsprofil beobachten, nicht die Inhalte seiner Mails und Telefonate zur Kenntnis nehmen.
Nach einem Monat war das Ergebnis erschütternd. Allein die Beobachtung seiner Bewegungen hatten ihn zu einer gläsernen Person gemacht. Die Analysten wussten nun, wann er aufsteht, wie lange er schläft, was seine Lieblingsorte sind, welche Strecke er gewöhnlich joggt. Daraus, welche Seiten er bei Google wie oft aufruft, konnte man auf seine Vorlieben schließen und ob er sich für Politik interessiert. Seine Privatsphäre, die kostbarste Errungenschaft des Westens nach der Freiheit, hatte aufgehört zu existieren.
In Orwells „1984“ kauert sich Winston Smith in die einzige Ecke seines Zimmers, die nicht von der Kamera erreicht wird, aber auch dann weiß Big Brother, wo er ist.
Der Film „Nothing to Hide“ zeigt uns, wie nahe wir diesem Zustand bereits sind, ohne dass es der breiten Mehrheit der Bevölkerung überhaupt bewusst ist.
Es ist klar, dass solch ein Film nicht von der staatlichen Filmförderung unterstützt wurde. Er entstand mit Hilfe von privaten Spenden. Klar auch, dass er nicht in den offiziellen Verleih kommt. Er ist in Berlin im Kino „Sputnik“ in den Südsternhöfen zu sehen, am 11., 12. und 17.1. um 18.00 Uhr. Am Mittwoch, dem 11.1. gibt es außerdem um 20.30 eine Drehbuchlesung.
Für alle, die sich nach der Lektüre dieses Artikels fragen, was sie tun können, um ihre Privatsphäre zu schützen, sollten sich bei der CryptoParty-Bewegung informieren.