Robert Harris zu lesen, ist immer ein Gewinn.
Es ist die gekonnte Mischung aus historischen Fakten und Fiktion, die fasziniert und fesselt, so dass man einen Harris kaum aus der Hand legen kann, bevor man nicht bis zum Ende gelesen hat.
So ging es mir wieder mit seinem Neuling „Konklave“, der eine Papstwahl in naher Zukunft schildert.
Wer schon immer mal wissen wollte, wie es in der Sixtinischen Kapelle zugeht, wenn sich nach dem Tod eines Papstes die Kardinäle aus aller Welt versammeln, um einen der Ihren zum Nachfolger auf dem Thron Petri zu wählen, sollte zum neuesten Harris greifen. Das Buch ist spannend wie ein Thriller, ohne einer zu sein. Die Spannung ergibt sich nicht aus der Handlung. Über 350 Seiten bewegen sich die Kardinäle auf engstem Raum zwischen der Sixtinischen Kapelle und er Casa Santa Marta, ihrer Unterkunft während des Konklaves. Die Spannung ergibt sich aus den Reflexionen über den Glauben in einem immer atheistischer werdenden Westen und einer Welt, die dem Untergang des Christentums im Nahen Osten schulterzuckend zusieht.
Kardinal Lomeli, der Staatsekretär des verstorbenen Pontifex Maximus, fällt als dem Ehrenvorsitzenden des Kardinalskollegiums die Aufgabe zu, die Papstwahl zu organisieren und zu leiten. „Wenn es Dein Wille ist, o Herr, dass ich dieser Pflicht nachkomme, dann erflehe ich von dir die Weisheit, sie so zu erfüllen, dass sie unsere Mutter Kirche stärken werde.“ Er ist ein im Glauben fester, aber von Zweifeln an der Kirche geplagter Mann, der jede Weisheit brauchen kann, die ihm zur Verfügung steht.
Nachdem alle Kardinäle glücklich im Vatikan versammelt waren, tauchte kurz vor Toresschluss noch ein Kardinal aus Bagdad auf, den niemand kannte. Pater Benitez, ein Philippiner, war vom verstorbenen Papst in pectore ernannt worden, ohne dass die Ernennung bekannt gegeben wurde. Lomeli beschließt, ihn zur Papstwahl zuzulassen.
Diese Wahl gestaltet sich schwieriger, als zu erwarten war. Nach fünf Wahlgängen, die traditionell genügten, um zu einem Ergebnis zu kommen, ist immer noch unklar, wer das Rennen machen wird. Kardinal Bellini, der in den Medien gehandelte Favorit, bekam von Anfang an nicht genug Stimmen, um aussichtsreich zu sein. Der Kandidat der Afrikaner, der zwischenzeitlich gute Aussichten hatte, gewählt zu werden, musste aus dem Rennen ausscheiden, als seine Beziehung zu einer Nonne bekannt wurde, aus der ein Kind hervorgegangen war. Als Nächster musste der Kanadier ausscheiden, als nachgewiesen werden konnte, dass es seine Intrige war, die den Afrikaner zu Fall gebracht hatte.
Als die Gefahr bestand, dass ein Traditionalist, der Kardinal von Venedig, als Sieger hervorgehen könnte, griff das Schicksal ein. Eine Autobombe explodierte in der Menge der Gläubigen, die vor dem Petersdom auf das Ergebnis der Papstwahl warteten. Gleichzeitig wurden Gläubige in Rom und anderen europäischen Städten in ihren Kirchen angegriffen. Zwei Dachfenster der Sixtinischen Kapelle zerbarsten. Lomeli beschließt, mit der Wahl dennoch fortzufahren. Die letzte Abstimmung hatte den Schluss nahegelegt, dass er selbst der nächste Papst werden könnte. Er würde sich Johannes XXIV nennen. Während der Schlussabstimmung begann er schon an seiner Rede zu arbeiten, die er als neuer Papst halten würde.
Dann ergab die Auszählung aber überraschend ein Votum für Kardinal Benitez, den niemand gekannt, der aber durch zwei kurze Reden sich für das Amt empfohlen hatte. Als Kardinal von Bagdad, einer der gefährlichsten Gegenden für Christen, wurde Benitez als geeignet angesehen, die Kirche in Zeiten der Auseinandersetzung mit dem islamistischen Terrorismus, der bis in das Konklave vorgedrungen war, zu führen.
Geahnt hat der Leser diesen Schluss von Anfang an, aber die Kunst von Harris besteht darin, ihn so elegant zu führen, dass der Ausgang wie selbstverständlich wirkt. Es hätte nicht sein müssen, dass der neue Papst nicht nur ein Außenseiter und Philippiner, sondern auch noch eine Frau ist, die sich immer als Mann gefühlt hat, aber keine Geschlechtsumwandlung wollte. Wer sich das ersparen will, kann kurz vor Schluss aufhören zu lesen. Der überraschende Name des neuen Papstes ist Innozenz, ein Name, der von einer Tugend abgeleitet wurde und nicht von einem Heiligen. Das hatte es seit 300 Jahren nicht gegeben. Aber Lomeli schien es, je länger er darüber nachdachte, als symbolisch „in Zeiten des Blutvergießens“, eine „unerschrockene Absichtserklärung“.
Eine unerschrockene Absichtserklärung – das ist es, was die Katholische Kirche braucht, um die künftigen Kämpfe zu bestehen.