Musée des Cluny – Eine wahre Perle von Paris

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Das Musée de Cluny ist allein eine Reise wert. Das liegt schon an seiner bemerkenswerten Baugeschichte. Als Paris noch das römische Lutetia war, wurde hier eine Therme errichtet. Teile des ehemaligen Frigidariums und eines benachbarten Raumes sind heute noch erhalten. Es ist das bedeutendste römische Gemäuer nördlich der Loire. Im 15. Jahrhundert bauten die reichen Äbte von Cluny einen gotischen Palast auf den römischen Überresten. Im südlichen Teil gründete der Cluny-Orden 1269 ein Kolleg, dem später eine Unterkunft für die Studenten beigefügt wurde. Noch später folgten zwei Privatwohnungen in einem der ersten städtischen Häuser mit Vorgarten, Hof und Garten hinter dem Haus. Im April 1833 mietete Alexandre du Sommerard Teile des Hauses, um seine Privatsammlung von Kunstwerken aus dem Mittelalter unterzubringen. Schon drei Monate später wurde ein Gesetz erlassen, das aus dieser Sammlung das Museum Cluny machte. Als der Sohn Alexanders, Edmond du Sommerard, 1845 verstarb, verfügte das Museum über 11.000 Objekte.

Seither hat sich der Bestand ununterbrochen vergrößert. Im Jahr 1992 wurde das Museum umbenannt in Nationalmuseum des Mittelalters. Weil der Bestand aus allen Nähten platzte und Baumängel immer sichtbarer wurden, fasste man den Beschluss, das Gebäude zu restaurieren und zu erweitern. Den gelungenen Abschluss der Arbeiten kann man seit 2022 bewundern. Es gelang eine perfekte Symbiose von römischen, gotischen und modernen Bauelementen, die respektvoll die historischen Strukturen aufnehmen. Gleichzeitig wurde der Bestand völlig neu präsentiert. Die Besucher können in die 1500 Jahre alte Kunst- und Kulturgeschichte in 22 Räumen eintauchen. Wer das tut, kommt mit einem radikal veränderten Bild vom Mittelalter wieder heraus. Das allgemeine Wissen über diesen Zeitraum beschränkt sich meist darauf, eine „dunkle Zeit“ gewesen zu sein. In der Tat waren es stürmische Zeiten, mit Kriegen, Pest, Cholera, Hungersnöten und religiösem Wahn. Das 14. Jahrhundert begann in Frankreich mit einem Fluch, den Jacques de Molay, Großmeister des Templerordens, von seinem Hinrichtungsplatz aus verhängte: „Papst Clemens, König Philipp! Bevor das Jahr um ist, werdet ihr vor Gottes Richterstuhl erscheinen, um eure gerechte Strafe zu empfangen. Seid verflucht, seid verflucht, bis in die 13. Generation!“ Tatsächlich starben der Papst und der König innerhalb weniger Monate.

Letzterer hinterließ nur Töchter, die ihm nicht auf den Thron folgen konnten, und die daraus resultierenden Streitigkeiten verwickelten Frankreich und England zwischen 1337 und 1453 in einen über 100 Jahre währenden Krieg.

Trotz all dieser Härten und Hemmnisse war es eine Zeit, in der die Städte wuchsen und neben den herrschaftlichen Höfen zu Horten von Kunst und Kultur wurden, die eine ungeahnte Blüte erreichten. Wer die Exponate im Cluny anschaut, wird sehr schnell davon überzeugt, dass im Mittelalter der Zeitgeist auf Eleganz und Schönheit gerichtet war. Alle Schichten der Gesellschaft, nicht nur die so genannten Eliten, waren um Eleganz und Schönheit bemüht. Beides ist in unseren Zeiten aus dem Alltag fast verschwunden. Während unsere Vorfahren sich größte Mühe gaben, ihre Umgebung, die Gebrauchsgegenstände, ihre Kleidung so schön wie möglich zu gestalten, haben wir es heute überwiegend mit Verfall zu tun. Der Kontrast zwischen denen, die vor den Vitrinen die kunstvollen Gewänder und Frisuren, die schön bemalten Truhen und mit Schnitzereien verzierten Kämme bewundern und selbst in Schlabberkleidung und kaum frisiert herumlaufen, könnte nicht größer sein.

Wofür würde eine der wunderschönen Mägde, die auf den atemberaubenden sechs Wandteppichen der „Dame mit dem Einhorn“ abgebildet sind, denken, wenn sie einer heutigen Altersgenossin begegnen würde? Wir haben keinerlei Grund, uns über unsere Vorfahren überlegen zu dünken. Wir haben mehr Technik zur Verfügung, aber dafür sind unsere Sinne abgestumpft.

Selbst in den Kampf zog man mit prächtigen, reich verzierten Rüstungen und die Schwerter, die man zum Töten mit sich führte, waren trotzdem Kunstwerke.


Auf den Eintrittskarten sind die wichtigsten Exponate des Museums abgebildet. Eines ist die Goldene Rose, die 1330 in Avignon angefertigt wurde. Eine kunstvolle Schmiedearbeit, deren Blätter so detailgenau sind, als hätte man Originale mit Gold übergossen. Auf anderen Karten sieht man Ausschnitte aus den berühmten Wandteppichen, deren Farbigkeit sich über die Jahrhunderte erhalten hat und deren Botschaft zum Teil bis heute ein Rätsel ist.
Ein Highlight, wie man heute auf Neudeutsch sagt, ist die extravagante gotische Kapelle, die zu den Privaträumen der Clunys gehörte. Nicht nur das filigrane Muster der Säulen des Kreuzgewölbes macht sprachlos. In der Ecke gewahrt man eine farbige Emaillearbeit, die sich bei näherem Hinsehen als Tür zu einer Treppe in den Garten entpuppt.
Frankreich ist ein Garten, dieses Image hatte sich das Land spätestens ab dem 15. Jahrhundert erworben. Es galt als das irdische Eden. Das hinderte seine Künstler nicht, Anregungen aus dem Ausland anzunehmen. So hatten die Renaissance in Italien und die Flamen Einfluss auf die französischen Künstler. Cluny bietet eindrucksvolle Beispiele, wie sich unterschiedliche Kulturen gegenseitig befruchten können. Kunst überwindet die von der Politik und ihren Kriegen erzeugten Schranken. Das ist vielleicht die wichtigste Botschaft der Ausstellung.

Wer spontan Lust bekommen hat, das Cluny zu besuchen, sollte nicht zögern. Zur Zeit wird die permanente Ausstellung durch eine Schau ergänzt, die sich mit Frankreich zur Zeit von Charles VII. und Johanna von Orleans beschäftigt. Absolut sehenswert!

Foto: Seven Lingreen

 



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