Kandel und kein Wandel: Wenn Wegsehen tödlich wird

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Von Gastautor Roger Letsch

Es wäre zynisch und unangemessen, einen direkten Bezug zwischen dem Mord an einem 15-jährigen Mädchen in Kandel mit einigen politisch-kulturellen Aktivitäten im selben Landkreis herzustellen. Oder etwa doch nicht? Die positive Stimmung, die von den verantwortlichen Politikern dort gegenüber „Asylbegehrenden und Flüchtlingen“ gefördert und herbeigeschrieben wurde, basiert jedenfalls nachweislich auf dem Grundübel der Selbstverleugnung, das wie ein Hefeteig dick und dämpfend über dem ganzen Land liegt: dem mittlerweile institutionalisierten Kulturrelativismus.

In Kandel jedenfalls ist er längst institutionalisiert, denn es werden Seminare angeboten, die ungeniert mit Aussagen wie diesen werben. Ein Bericht in der Lokalzeitung Rheinpfalz zitiert einen örtlichen Seminarleiter der Initiative „Kandel aktiv“ so:

„Ferner ist es uns ein Anliegen, eine kulturrelativistische Perspektive zu stärken. Das heißt, keine Kultur ist besser als eine andere und Grenzüberschreitungen gibt es überall“.

Was Johannes Dümler, der Seminarleiter, im Sommer 2017 (siehe Bild) als dringend zu erlernendes Wertesystem vermittelt, würde bedeuten, dass jede Gruppe, die sich „kulturell“ definiert, ihre eigenen gültigen Regeln haben darf. Scharia für die einen, Grundgesetz für die anderen – so what!

Wenn eine arabische Großfamilie also beschlösse, dass ihre unverschleierte Tochter die Ehre der Familie beschmutzt, darf sie getötet werden – der Kulturrelativist hat dafür vollstes Verständnis! Und während ein Deutscher für eine solche Tat zu recht 20 Jahre hinter Gitter muss, käme ein Araber für diese Tat mit einer freundlichen Ermahnung davon. Auf solchen Pfaden sind bekanntermaßen bereits einige Richter in diesem Lande unterwegs.

Die ignorante, hässliche Grenze

Kulturrelativisten blenden die negativen Aspekte einer „Kultur“ einfach aus, weil sie selbst damit noch nie in Berührung kamen. Doch wir essen zwar Currys, finden Saris irgendwie schick und lauschen den Klängen der Sitar – aber wir essen dennoch Rindfleisch und verbrennen unsere Witwen nicht. Wir benutzen arabische Zahlen, würzen unsere Speisen mit Muskat und Kardamom und sind fasziniert von arabischer Ornamentik und Kalligraphie – aber den Ehrbegriff arabischer Stammesgesellschaften oder deren Bekleidungsvorschriften lehnen wir dennoch kategorisch ab.

Wir dürfen keine Kulturrelativisten sein, wenn wir überleben wollen. Es ist grenzenlos naiv, sich häufende Verbrechen in einem bestimmten Milieu dadurch zu relativieren, dass so etwas anderswo auch vorkäme. Der Hinweis auf das Oktoberfest war eben keine ausreichende Erklärung für die Vorfälle in Köln an Silvester 2015.

Problematisch wird die Sache mit dem Kulturrelativismus nämlich immer dann, wenn Wegsehen nicht mehr hilft, wie im Fall der erstochenen jungen Frau aus Kandel. Hier kommt es nämlich zu Überschreitungen der „Kreise“, und der Kulturrelativismus kommt an seine ignorante, hässliche Grenze, an der er sich für die Aufgabe der Werte eines der Kultursysteme entscheiden muss. Und hier trifft sich die Agenda der Kulturrelativisten mit der linken Gewissheit, so etwas wie „deutsche Kultur“ gäbe es abseits der deutschen Sprache eigentlich gar nicht.

So dürfen wir denn auf die „Lichterketten für Toleranz und gegen Rechts“ gespannt sein, über die aus Kandel sicher bald zu berichten sein wird. Vielleicht wird das die Frage überdecken, ob der Täter wirklich erst 15 Jahre alt ist (und somit nur eingeschränkt strafmündig), und nicht vielleicht doch eher 25. Das zu prüfen gilt in Deutschland nämlich auch als Zeichen mangelhafter kultureller Toleranz.

Kulturrelativisten wie Johannes Dümler wissen bestenfalls nicht, was sie tun. Denn wenn wir nicht bereit sind, einige unserer grundlegenden Werte wie Aufklärung, Bildung, Säkularität, Rechtsstaatlichkeit, Gleichstellung der Frau und Gewaltlosigkeit im Umgang miteinander gegen andere, konträre „Werte und Kulturen”, die eigentlich unwerte Barbarei darstellen, als unverhandelbar zu verteidigen, können wir den Laden hier nämlich gleich zumachen und uns kulturrelativistisch bedingungslos ergeben.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Roger Letschs Blog Unbesorgt .



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