Die (fiktive) Neujahrsansprache eines wahren Europäers

Veröffentlicht am

Gastautor Josef Hueber

Was es wirklich zu sagen gäbe, was wir aber zum Jahreswechsel nicht hören werden

Zu Václav Klaus’ Die fortschreitende Selbstzerstörung des Westens und ihre Beschleunigung durch die Covid-Epidemie an der Collegium Intermarium Universität in Warschau im Mai 2021. (Link)

Bekanntes und Erwartetes

Die Panne war verständlich, durchaus entschuldbar. Anno 1986 nahmen Millionen Deutsche die Neujahrswünsche von Bundeskanzler Helmut Kohl für das vergangene Jahr entgegen, weil man im Regieraum offensichtlich die falsche Platte aufgelegt hatte. Ohne die erwähnte Jahreszahl wäre der Ausrutscher vermutlich gar nicht aufgefallen. In der Endlosschleife ritueller Gewohnheitsveranstaltungen erwartet man nämlich nichts Neues. Weghören, zumindest Überhören, gehört dazu. Der fromme Blick der öffentlich-rechtlichen Zuschauer genügt. Die Nie-wieder-Veranstaltungen anlässlich der Wiederholung von jüdischen Gedenk- oder Schicksalstagen, aber auch die Neujahrsansprachen der deutschen Kanzler(in), sie alle sind der Versuch, mit zurechtgeschliffenen Bausteinen Besinnliches und Nachdenkliches zu transportieren, Harmonie und Zuversicht, trotz bestehender Probleme, zu verbreiten und somit alle unter einer gedanklichen Decke temperatursynchron zu wärmen. Dies dürfte an Silvester 2021 mit dem neuen Bundeskanzler nicht anders sein. Seine Redenschreiber werden wohl von dieser Blaupause nicht abweichen.

Es ist absehbar, worum es gehen wird. Damit für jeden etwas dabei ist:  Dank an das Corona-Pflegepersonal – Dank an Bürger für Solidarität durch Impfung- Kritik an Impfgegnern u. Bitte um Überzeugungsarbeit im Dialog (mit Gleichgesinnten!) – Verständnis für gebeutelte Unternehmer – Europa als Segen und Auftrag – bedauerliche, aber notwendige Einschränkungen des Lebensstils für das Klima – Kampf gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus.  Letztendlich berechtigte Hoffnung auf Bewältigung der Herausforderungen durch Engagement und Solidarität der Bürgerinnen und Bürger.

Die „sekundäre Realität“

Es lohnt sich, einem Déjà-vu-Erlebnis eine erfahrene, ideologiefreie, Klartext sprechende Stimme vorzuziehen, wenn es um Schicksalsfragen Deutschlands und Europas geht. Václav Klaus, der bekannte tschechische Politiker und Wirtschaftswissenschaftler, sprach an der Collegium Intermarium Universität in Warschau zum Thema Die fortschreitende Selbstzerstörung des Westens und ihre Beschleunigung durch die Covid-Epidemie“. Was er zu sagen hat, zeigt keine Schnittmengen mit Ansprachen- und Festtagsphraseologie. Es deckt sich nicht mit dem, was wir in der kommenden Neujahrsansprache zu erwarten haben. Hier entscheidende Auszüge.

Freiheit – Erfahrungen und Bedrohung

Ich habe mehr Angst vor Menschen, die versuchen, die Epidemie zur Unterdrückung von Freiheit und Demokratie zu missbrauchen, als vor dem Virus selbst. Meine Befürchtung ist, dass die Epidemie die Tür zu einer enormen Ausweitung der staatlichen Eingriffe in unser Leben öffnet.

Ich weiß, dass der Vergleich der derzeitigen EU-Regelungen mit dem Kommunismus eine etwas provokante Aussage ist. Und dass dies irreführend sein kann. Das derzeitige Ausmaß der Manipulation und Indoktrination erinnert jedoch diejenigen von uns, die erwachsen waren und während der Zeit des Kommunismus die Augen offen hatten, daran, dass es unsere Aufgabe ist, die heutigen Generationen darüber aufzuklären.

Als der Kommunismus fiel, waren wir davon überzeugt, dass dieses böse, korrupte und unterdrückerische System vorbei sei und nie wieder zurückkehren könne. Wir wollten unsere historische Chance nutzen und uns für die Wiederherstellung von Freiheit, traditionellen Werten und Institutionen, freien Märkten, souveränen Nationen, freien und unabhängigen Universitäten und Akademien usw. einsetzen.

Ich habe davor gewarnt, dass wir „eine langsame Rückkehr zu einer sozialistischeren, zentralistischeren, etatistischeren, weniger freien und weniger demokratischen Gesellschaft erleben, als wir es uns gewünscht und geplant hatten“, dass wir „unter dem Schirm der politischen Korrektheit, des Multikulturalismus und der Menschenrechte“ leben und dass wir aufgrund unserer Erfahrungen mit dem Kommunismus die nicht übertragbare Aufgabe haben, „die Hüter der alten europäischen Werte, Traditionen und Bräuche zu werden“.

Einige unserer Bürger scheinen bereit zu sein, ihre individuellen Freiheiten aufzugeben und kommunismusähnliche Regierungsformen zu akzeptieren. Sie bereiten sich auf den Großen Reset vor, der zur Wiedergeburt des Kommunismus unter einem neuen Banner führen wird.

Die 3 Säulen einer freien Gesellschaft

Unser Denken basierte auf drei Konstanten, auf drei grundlegenden Elementen der freien Gesellschaft, auf drei Einheiten, die wir für die europäische (und mitteleuropäische) Zivilisation als entscheidend erachteten: den Menschen, der Familie und der Nation. Es ist noch nicht lange her, dass ich sie als Konstanten bezeichnet habe, aber ich wurde zunehmend nervös, dass ich mich irren könnte. Sie sind keine Konstanten mehr.

Diese drei Säulen wurden in den letzten Jahrzehnten von der neuen fortschrittlichen Ideologie, der es gelungen ist, die heutige Welt zu kontrollieren und zu beherrschen, brutal angegriffen. Die Vertreter dieser Ideologie versuchen aggressiv, die Vergangenheit und die mit ihr verbundenen Werte und Verhaltensmuster zu diskreditieren.

Um dies zu erreichen, bedarf es nichts weniger als einer „Revolution gegen unsere Kultur, gegen unsere Geschichte, gegen unsere Länder und gegen uns selbst“, so John O’Sullivan.

Der Kovidismus sollte uns viel mehr Sorgen bereiten, eine Ideologie, die dazu aufruft, die angeblich diskreditierte und verunglimpfte Vergangenheit zu vergessen und eine radikale Umgestaltung der menschlichen Gesellschaft zu fördern.

Dieser stark geförderte Wandel droht unseren Lebensstil, unsere traditionellen Werte und unsere freie Gesellschaft zu zerstören und zu dekonstruieren.

Die Herrschaft von Angst und  Ismen

Unsere bereits „weiche, dekadente und hilflose“ (Anthony Daniels) Gesellschaft ist durch die künstlich erzeugte Angst der schweigenden Mehrheit unserer Mitbürger und durch die Aggressivität und die radikalen Ambitionen der Vertreter des modernen Progressivismus geschwächt worden. Dieser „Ismus“ ist das Produkt einer Mutation alter sozialistischer Ideen mit den neuen fortschrittlichen Positionen des modischen Umweltschutzes, des gewalttätigen Genderismus, des Klimaalarmismus, des utopischen Egalitarismus, des Multikulturalismus, des Globalismus und des Europäismus.

Digitalisierung – die „sekundäre Realität“

Diese Prozesse wurden durch die Digitalisierung unserer Gesellschaften und ihre Auswirkungen auf die Demokratie noch verstärkt.

Die Digitalisierung zentralisiert unnötigerweise und auf gefährliche Weise eine große Menge an Daten in unbekannten, unkontrollierten und unkontrollierbaren Händen. Sie trägt auch dazu bei, „eine sekundäre Realität zu schaffen, die die primäre Realität“ unseres Lebens immer weiter verdrängt. Diese Entwicklung scheint unaufhaltsam und unumkehrbar zu sein. Wir sollten uns das genauer ansehen. Sie ist eine Bedrohung und kein positives Symptom der Moderne, wie oft fehlinterpretiert wird. Chinas digitales Sozialkreditsystem stellt eine extreme Version der digitalen Gesellschaft dar. Doch nicht nur in China ist diese Entwicklung zu beobachten.

Europa und EU – Imperium statt Demokratie

Der Prozess der europäischen Integration – der nach dem Zweiten Weltkrieg fast unschuldig begann – hat sich zu einem Prozess der europäischen Einigung entwickelt.

Das ursprüngliche Konzept der Integration, das eine bessere und tiefere Zusammenarbeit souveräner Staaten bedeutete, hat sich  in etwas anderes verwandelt, in eine transnationale Vereinigung.

Die Macht der zentralen bürokratischen Agentur in Brüssel wurde erheblich gestärkt. Die Verträge von Maastricht und der Vertrag von Lissabon haben dazu beigetragen, die Demokratie zu unterdrücken und sie in eine Postdemokratie (fälschlicherweise als liberale Demokratie bezeichnet) zu verwandeln. Infolgedessen hat sich Europa selbst von einer historisch gewachsenen Gruppe souveräner und unabhängiger Länder in ein hochautoritäres und zentralistisches Imperium namens Europäische Union verwandelt.

Die politischen Eliten Europas, die bedingungslosen Bewunderer der EU in Politik, Medien und Wissenschaft sowie die riesige und ständig wachsende europäische Nomenklatur betrachten diese beiden Begriffe – Europa und Europäische Union – als perfekte Substitute. Sie haben ein ureigenes Interesse daran, die Menschen glauben zu machen, dass die EU und Europa identisch sind. Sie wollen Europa besitzen. Sie wollen als die wahren Erben aller europäischen historischen Ereignisse und Errungenschaften anerkannt werden. Alle europäischen Demokraten sollten sich dieser Denkweise widersetzen. Sie wissen wohl, dass Europa eine kulturelle und zivilisatorische Einheit ist, die sich historisch entwickelt hat, während die EU eine menschliche Konstruktion ist.

Ausblick – ein Appell an die Eliten des Landes

Wir sollten die wachsende Rolle des Social Engineering und des technokratischen Fachwissens (im Gegensatz zur Rolle der demokratisch gewählten Politiker) kritisieren. Wir sollten den Verlust von gesundem Menschenverstand, Mäßigung und Anstand, den Sieg von Egoismus und Unmoral und die Verteidigung neuer Formen persönlicher Privilegien nicht hinnehmen. Wir dürfen nicht zu passiven Mitläufern werden.

Wir alle, und insbesondere die Universitäten und die akademische Welt, haben die Pflicht, unsere Stimme zu erheben. Wir sollten die wirtschaftlichen und finanziellen Kosten der derzeitigen Schließungen, die Folgen der Schließung von Bildungseinrichtungen und die zunehmende Zersplitterung unserer Gesellschaften aufgrund der sozialen Distanz und der Ausweitung virtueller Kontakte und Heimarbeitsplätze schonungslos analysieren.

Anmerkung: Die Formulierungen sind der im Netz zugänglichen Dokumentation und Übersetzung entnommen. Wo nötig, wurden syntaktische, den Sinn bewahrende Anpassungen und inhaltliche Umstellungen aus systematischen Überlegungen vorgenommen.

Quelle: https://t1p.de/qucfx



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