Wissenschaft – mal so, mal so

Veröffentlicht am

Gastautor Josef Hueber

Beobachtungen zur gegenwärtigen Instrumentalisierung von Wissenschaft als Herrschaftsinstrument 

Die gewaltsamen Anti-Corona-Krawalle  in Holland Ende Januar des neuen Jahres sind (auch) Symptom einer wachsenden Inakzeptanz der massiven, freiheitsbeschränkenden Maßnahmen zur vorgeblichen Eindämmung der Pandemie. Im Bewusstsein zunehmenden Widerstands gegen weitere, absehbare Einschränkungen im Privatleben sowie angesichts irreparabler Schäden der Wirtschaft fordert  die Kanzlerin Vertrauen in die „Wissenschaft“. Dies ist eine nicht das erste Mal angewandte, doppelgesichtige Taktik.

Max Mustermann gibt sich demütig

Kanzlerin Merkel fordert uns in dieser Dauerwelle aufschäumender und volatiler Corona-Infektionszahlen auf, hinsichtlich der ergriffenen Maßnahmen der „Wissenschaft“ zu vertrauen. Im Subtext der alles andere als zufällig gewählten Formulierung heißt das, auch ihr, der Kanzlerin, bescheiden-demütig zu vertrauen, weil sie bekanntlich Wissenschaftlerin war. Welcher unbedeutende, weil nicht-akademische  Max Mustermann  würde sich schon erdreisten zu behaupten oder auch nur zu glauben, dass er mehr weiß als die jetzt das gesamte Leben  bestimmenden Wissenschaftler?

Wissenschaft und Wahrheit – keine krisenfeste Beziehung

Dass dieses von der Kanzlerin und ihren Nachbetern implizierte Wissenschaftsverständnis ein politisch instrumentalisiertes und kein um „Wahrheit“ bemühtes ist, hat sie spätestens bzw. schon sehr früh nach dem Reaktorunfall in Fukushima unter Beweis gestellt. Nachdem sie, wie auf YouTube (noch) nachzusehen ist, v o r  dem Desaster in Japan im Bundestag gegen grüne Energiephantaster „wissenschaftlich“ argumentiert hat, dass deutsche Atomkraftwerke ein Höchstmaß an Sicherheit bieten, kippte sie n a c h  dem fernöstlichen Unfall in die vormals heftigst kritisierte grüne Richtung um, und plötzlich war es moralisch, weil  wissenschaftlich (!) evident,  nicht mehr verantwortlich, unsere Atomkraftwerke weiter zu betreiben.

Stimmungsmoral toppt  Wissenschaft

Das an die Wand gemalte Risiko eines deutschen Reaktorunfalls einzugehen, analog zu Japan,  wurde urplötzlich – wenngleich wissenschaftlich nicht haltbar – der Öffentlichkeit als unverantwortliche Energiepolitik präsentiert. Die argumentative Wegstrecke, weg von der  Wissenschaft, hin zur moralischen Verwerflichkeit der Weiterbetreibung deutscher Atomkraftwerke,  war in Lichtgeschwindigkeit zurückgelegt. Am Ziel angelangt, konnte man den Lockdown der Atomkraftwerke als unumgängliche moralische Pflicht in das Bewusstsein der Öffentlichkeit implementieren. Wissenschaftliche Argumente pro Atomkraft waren politisch annulliert.

Die Vormachtstellung von gefühlter Moral etablierte sich plötzlich ohne Bezug zu kritischer  Wissenschaft, die das ganz anders sah. Stattdessen konnte nun Angst als machtsichernder Faktor jenseits von Wissenschaft Politik bestimmen. Dass der  Lockdown-Beschluss für Atomkraft  mit naturwissenschaftlicher Erkenntnis sowie  der Kompetenz und dem Wissen von Ingenieuren nicht zu begründen war, interessierte die politischen Entscheider nicht mehr. Fortan galt die öffentlich Stimmungsmoral als energiepolitische  Entscheidungsbasis.

Teddybären statt  Wissenschaft

Die Negierung wissenschaftlicher Erkenntnis bestimmte auch die Antworten der Willkommenspolitik auf Fragen nach der Verantwortbarkeit  der massenhaften, unkontrollierten, illegalen Zuwanderung. Das Bekenntnis Merkels, die Zurückweisung von Hilfesuchenden  sei Ausdruck eines fremdartigen  Deutschlands, („ … dann ist das nicht mein Land”) offenbarte einen sentimentalen Gefühlspatriotismus, der mit rational, also auch wissenschaftlich begründbarem und verantwortbarem Patriotismus nichts zu tun hat. (Die von der Kanzlerin weggeworfene Deutschland-Fahne bei einem öffentlichen Auftritt ist bekannt.)

Zuwanderung ohne Wissenschaft

Auch hierzu ergibt die Suche auf YouTube, wie sehr Merkel vor 2015 die linksorientierte Politik einer ungedeckelten Zuwanderungsrate im Bundestag leidenschaftlich verurteilte. Und danach? Gespielte  Empathie, von den christlichen Kirchen bereitwillig als christliches Mitleid verstanden, jeden Zuwanderer als einen Echtzeit-Jesus interpretierend, fegte  jegliche Überzeugungskraft wissenschaftlicher Untersuchungen und Forschungen zu den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen von ungezügelter  Zuwanderung vom Tisch. Die merkelsche „Rezension“ von Sarrazins, an wissenschaftlichen Forschungen penibel orientiertem Buch  „Deutschland schafft sich ab“ – mit dem berühmten Wort „nicht hilfreich“- bewies die Missachtung von Wissenschaft, sobald sie mit den Zielen der Regierungspolitik nicht in Einklang zu bringen ist.

Coronapolitik  –  politische Missachtung der Wissenschaft   

Das Phänomen der öffentlichen Corona-Angst sowie der politische Wille, daraus den Vorteil der Zustimmung zu autoritären Maßnahmen einer  Ministerpräsidenten-Konferenz zu ziehen, bügelt schon länger die streitbedürftige Wissenschaft platt. Die  merkelsche Aufforderung, Gehorsam unter Berufung auf wissenschaftliche Erkenntnis zu zeigen,  umgeht das Selbstverständnis von kritischer Wissenschaft. Die Auswahl von „Beratern“, die zur Entscheidung über Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Krise betragen, lässt fundamentale Zweifel aufkommen, ob noch von kritischem, d.h. streitbarem  Diskurs vor der Verordnung von Maßnahmen die Rede sein kann. Der Journalist Boris Reitschuster hat dies umfangreich auf seinem Blog dokumentiert, und er ist sicher nicht der Einzige auf dieser Spurensuche. Welche Konsequenzen dies für ihn hatte, spricht Bände: Die Sperrung von regierungskritischen Interviews auf YouTube ist systemtypische mediale Manipulation.

Widerstand formiert sich

Für eingefleischte Zweifler an der These, es handle sich um einseitige Wissenschaft, die dem  Beratergremium der merkelbestimmten Ministerpräsidenten-Konferenz die Richung vorgibt, hier der Hinweis auf ein Interview, das  Hendrik Streeck, Professor für Virologie und Direktor des Institutes für Virologie und HIV-Forschung an der Medizinischen Fakultät der Universität Bonn, der Neuen Osnabrücker Zeitung gegeben hat. Es muss als vernichtende Kritik an der  Pandemie-Politik der Bundesregierung gelesen werden. Streeck  konstatiert: „Wir haben harte Fakten zum Virus. Aber wir haben sehr wenige Fakten zu Kollateralschäden und Nebenwirkungen. Das sollte im gleichen Maße überprüft und erfasst werden, damit auch diese Daten in die Entscheidungen der Politik mit einfließen.”  Und weiter: „Die Politik muss abwägen und darf sich nicht nur von Virologen, Epidemiologen und Physikern leiten lassen. Kinderärzte, Psychologen und Soziologen warnen vor den Kollateralschäden, die Wirtschaft und Künstler (er)leiden: All dies gilt es zu bedenken”. Zu den Maßnahmen selbst: „Bis heute sei außerdem nicht überprüft, welche Einschränkungen der bisherigen Lockdowns tatsächlich welche Wirkung gehabt hätten.“  Die Osnabrücker Zeitung referiert Streeck: „Angaben aus dem vergangenen Frühjahr, dass jede Form der Lockerung zu dramatischen Zahlen führen würden, seien etwa unzutreffend gewesen. Komme es entgegen seiner Erwartung wieder zu einem großen Ausbruch, „wird man sich sicherlich hüten, wieder derart starke Maßnahmen zu ergreifen”, sagte Streeck.“  https://t1p.de/v2nx

Aber vermutlich ist die Kanzlerin auch hier der Meinung, diese wissenschaftlich fundierte Kritik sei „nicht hilfreich.“



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