Die Ahnungslosigkeit der Hofberichterstatter

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Nachdem der Sommer sich endlich auf seine Pflicht besinnt und uns mit sommerlichen Temperaturen beglückt, beginnt in Berlin wieder die Schule. Trotz permanent angedrohter zweiter Corona-Welle soll der Regelschulbetrieb wieder aufgenommen werden. So weit, so gut. Leider muss man den Eindruck haben, dass die vergangenen Monate vom Senat nicht für die notwendigen Vorbereitungen genutzt wurden. Kritische Medien müssten jetzt im Interesse der Schüler nachhaken und auf die Probleme aufmerksam machen. Nicht so die Abendschau. Sie liefert stattdessen ein Stück gefühlige Hofberichterstattung.

Im Stück „Schulbeginn ohne Maskenpflicht“ kommt am Anfang ein verunsicherter Schulleiter zu Wort, der beklagt, dass er immer noch keine Anweisung vom Senat hat, wie mit der Maskenpflicht in der Schulmensa zu verfahren sei. Auch wie man es mit dem Lüften halten soll, ist nach wie vor unklar. Die Fenster sollten aus Sicherheits-, und Brandschutzgründen immer geschlossen bleiben, nur eines der Fenster im Klassenraum hätte ein Fenstergriff zum Öffnen. Wie soll man da den Raum lüften?

An dieser Stelle blieb mir fast der Mund offen stehen. In meiner Schulzeit, die zugegebenermaßen schon ein paar Jahrzehnte her ist, war es die Regel, dass nach jeder Stunde die Fenster des Klassenraums fünf Minuten, so lange die kleine Pause währte, geöffnet wurden. In den großen Pausen blieben die Fenster entsprechend länger offen. Im letzten Jahrhundert war es jedem Dorfschullehrer klar, dass gelüftet wird. Der „Klimaschutz“ hat in den Schulen offensichtlich dafür gesorgt, dass die Schüler nicht mehr ausreichend mit frischer Luft versorgt werden. Heute bedarf es wissenschaftlicher Ratschläge, um durchzusetzen, was früher richtigerweise Standard war: Die Klassenzimmer regelmäßig zu lüften.

Der moderne Schuldirektor ist mittlerweile so verunsichert, dass er den Schulbeginn als „Feldversuch, ausprobieren mit Risiken“ empfindet. Armes Deutschland!

Dann folgt ein Interview von Sascha Hingst mit Bildungssenatorin Scheeres. Es ist ein substanzloses Geplänkel über die Maskenpflicht in den „Begegnungszonen“. Man erfährt, dass kein Kind ohne Maske nach Hause, sondern ins Sekretariat geschickt wird, wo es einen Mund-, und Nasenschutz bekommen kann. Weiter sagt die Senatorin, dass sie sich mit Wissenschaftlern über das Lüften „ausgetauscht“ hätte. Dabei sei herausgekommen, dass nach jeder Stunde gelüftet werden soll. Donnerwetter! Mithilfe der Wissenschaft lernen die Lehrer jetzt wieder, was sie früher von selbst wussten. Und im Winter? Da muss dann eben kräftig geheizt werden! Was wird Greta dazu sagen? Das scheint sich auch Sascha Hingst gefragt zu haben, denn er will von der Senatorin wissen, warum keine mobilen Lüfter angeschafft werden. Die seien doch in der Lage, selbst Corona-Viren rauszufiltern. Nein, sagt die Senatorin, die kämen nur dort zum Einsatz, wo die Fenster nicht geöffnet werden könnten. Dort würden auch CO2-Meßgeräte eingesetzt, um die Luftqualität zu messen. An dieser Stelle hätte Hingst fragen können, wer denn zu verantworten hat, dass es heute Schulen gibt, in denen die Fenster nicht geöffnet werden können. Fehlanzeige.

Stattdessen geht Hingst am Schluss auf eine „andere Baustelle“ über und fragt, wie sich Senatorin Scheeres bei der ersten Senatssitzung ohne die zurückgetretene Bausenatorin Lompscher „gefühlt“ habe. Frau Scheeres gesteht „ein komisches Gefühl“ gehabt zu haben und damit war das Interview und das Stück zu Ende. Spätere Journalistengenerationen könnten es eventuell als warnendes Lehrstück vorgeführt bekommen, wie man mit viel Aufwand so wenig wie möglich Informationen erzeugt.

Wenn schon nach Lompscher gefragt wird, die wegen ihrer Steuerhinterziehung zurücktreten musste, hätte man fragen müssen, was die Bildungssenatorin davon hält, dass ihre Kollegin in Zehlendorf den Standort für eine bereits geplante Schule empfindlich beschnitten hat, um Mobile Flüchtlingsunterkünfte bauen zu lassen, obwohl die nach Abebben der Flüchtlingswelle gar nicht mehr nötig seien. Aber kritischer Journalismus war gestern. Heute herrscht Hofberichterstattung.



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