Perlen der Provinz: Goethe-Theater Bad Lauchstädt

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Am vergangenen Freitag begann die neue Spielzeit des Goethe-Theaters mit einer Lesung von Monika Maron. Die Schriftstellerin, eine der wichtigsten neuzeitlichen Autorinnen, las aus ihrem jüngsten Buch „Munin oder Chaos im Kopf“. Begleitet wurde sie musikalisch vom wunderbaren Dresdener Duo Bruns/Kuttner, das u. a. Stücke Brahms und Mendelsohn Bartholdy für Klavier und Violoncello zu Gehör brachte.

Leider war die Zuhörerzahl wegen der „Hygiene-Regeln“ auf 50 beschränkt. Das war das einzige Manko, dieser Abend hätte es verdient, mehr Publikum gehabt zu haben.

Die Lesung fand im frisch restaurierten historischen Kursaal statt. Der Genuss begann schon auf dem Weg dorthin. Der Saal liegt inmitten der einzigen erhaltenen barocken Kuranlage Deutschlands, die nie verändert oder überbaut wurde. Unter diesen Kolonnaden von schlichter Eleganz wandelte schon Christiane von Goethe, die jahrelang regelmäßig im Sommer nach Lauchstädt kam, um sich zu regenerieren und Gewicht zu verlieren. Dass beides gelang, liegt an der Trinkkur mit dem speziellen Lauchstädter Heilwasser und den allabendlichen Tanzvergnügen, denen Christiane eifrig huldigte. Tagsüber teilte sie auf der Kurpromenade Tanzkarten an die Herren aus, die am Abend mit ihr tanzen wollten. Die Legende besagt, sie sei eine der begehrtesten Tanzpartnerinnen gewesen.

Die Tanzvergnügen fanden in eben jenem Kursaal statt, der in altem Glanz wieder entstanden ist. Eine der Türen, die zum Park führte, war ständig geöffnet. Davor befand sich eine Barriere. Dahinter standen Lauchstädter Bürger, die dafür bezahlt hatten, den Tänzern zuschauen zu dürfen. Auf diese Weise informierte sich die Damenwelt der Provinz, was gerade an Frisuren und Kostümen en vogue war.

Am Freitag hätte Monika Maron als Stilikone gelten können. Sie erschien im eleganten schwarzen Hosenanzug, kombiniert mit einer cremefarbenen Seidenbluse. Sie bewegte sich wie eine schlanke Gazelle durch den Raum und entsprach in keiner Weise dem Bild, das man sich von einer Frau macht, die vor wenigen Tagen immerhin 79 Jahre alt geworden ist.

Ich hatte „Munin“ schon kurz nach seinem Erscheinen gelesen und war überrascht, wie neu sich der Text anhört, wenn er von Maron vorgetragen wird. Die Spannung war so groß, dass man die buchstäbliche Stecknadel hätte zu Boden fallen hören. Es wäre nicht verwunderlich gewesen, wenn die Krähe, die Marons Heldin in ihrer Wohnung besuchen kam, auch im Saal erschienen wäre.

In den Lesepausen entfalteten Bruns und Kuttner eine ähnlich Authentizität. Ihr Zusammenspiel war einfach perfekt.Die ausgewählten Stücke, Mendelsohn Bartholdys „Lied ohne Worte“ und Ernest Blochs „From Jewish Life“ wirkten wie für die Lesung gemacht.

Das Ganze dauerte länger als die vorgesehenen zwei Stunden, denn in der Pause mussten alle den Saal verlassen, damit er dreißig Minuten gelüftet werden konnte. Trotz des leichten Nieselregens wagten sich viele in den Kurpark, der auch in etwas eingetrübter Abendstimmung von unwiderstehlichem Reiz war.

Zwischen dem 1. und dem 6. Juni, dem Geburts- und dem Todestag von Christiane von Goethe findet im Goethe Theater eine Christiane-Gedenkwoche statt. Eigentlich hätte es am Ende der Veranstaltung einen Empfang zu Ehren Christianes geben sollen, der den Abend abgerundet hätte. Leider sind Empfänge derzeit strengstens verboten. Deshalb wurden alle Zuhörer am Ausgang mit einer kleinen Flasche Sekt beschenkt. Die sollten sie zu Hause in Gedenken an Christiane leeren.

Wer schon einmal in Bad Lauchstädt war, wird alles daran setzen, wieder zu kommen. Wer noch nicht da war, sollte unbedingt einen Besuch bei dieser wahren Perle der Provinz planen. Zwar ist das Programm des diesjährigen Theatersommers stark reduziert, aber immer noch unbedingt sehenswert.

Nächste Veranstaltung: am 26. Juni 2020: Reineke Fuchs, nach dem Versepos von Johann Wolfgang von Goethe, Peter Prager, Sprecher, Nora Koch, Harfe



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