Wie die Polizei in Anderlecht « teilweise » mit Steinen beworfen wird

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Von Gastautor Manfred Haferburg

Wie kann jemand die Polizei „teilweise“ mit Steinen bewerfen? Werden dabei nur Teile von Steinen geworfen? Oder werden ganze Steine auf einzelne Teile von Polizisten geworfen? Oder dient das Wort „teilweise“ lediglich einer gewollten Verniedlichung? Was treibt Journalisten, mit nachgerade absurder Konsequenz alle Tatsachen aus ihrer Berichterstattung auszublenden, die doch offensichtlich sind und deren Verschweigen den Journalisten nichts bringt, als eine Schädigung des eigenen Rufs. Warum wird immer von Neuem flächendeckend das letzte Bisschen Vertrauen der Leser verspielt?

Wie man einen Artikel schreibt, der jeglichen unliebsamen Informationsgehalt wegschwurbelt, macht die Welt-Online vor.

Anderlecht in Belgien, bei Brüssel. Es herrschen Corona-Ausgangsbeschränkungen und Versammlungsverbot. Die Polizei will einen Motorollerfahrer kontrollieren, der sich dieser Kontrolle durch die Flucht entzieht. Er durchbricht eine Absperrung und erleidet einen Unfall mit einem Polizeifahrzeug auf der Gegenfahrbahn.

Der junge Adil wird so schwer verletzt, dass er stirbt. In der Folge kommt es in der Stadt zu Ausschreitungen von jungen Nordafrikanern. In dem Gewaltausbruch, werden dutzende Gewalttätige verhaftet, ein Polizist und ein Jugendlicher werden verletzt. Von einem Fehlverhalten der Ordnungskräfte kann nicht die Rede sein. Soweit das Geschehen.

Welt Online macht daraus: Ein „19Jähriger“ flieht vor der Polizei und stirbt. Es wird unterschwellig insinuiert, die Polizei hätte einen Anteil der Schuld am Tod des jungen Mannes – sie hätten ihn ja nicht kontrollieren und verfolgen müssen. Aufgebrachte „Menschen“ gehen daraufhin auf die Straße. Als die Polizei einschreiten will „eskaliert“ die Situation. Bei den „Vorfällen“ werden 100 Menschen festgenommen. Die Beamten „werden zum Teil“ mit Steinen beworfen. Ein „Mann“ schießt mit einer Waffe in die Luft, die zuvor der Polizei gestohlen wurde. „Autos wurden in Brand gesteckt“.

Es fehlt in der Berichterstattung der ethnische Hintergrund und der Grund der Flucht des Verunglückten. Es fehlt der Hintergrund der Randalierer und ihr Motiv. Es fehlt in der Berichterstattung der Name des Opfers, obwohl in den Belgischen Medien benannt – der Leser könnte ja daraus einen ethnischen Hintergrund entnehmen. Die politische Korrektheit zieht sich wie Fäulnis durch den ganzen Artikel. Halten die Redaktionen ihre Leser wirklich für so schlicht?

Im Internet kann man in wenigen Minuten jede Menge weitergehende Informationen über den Gewaltausbruch bei Brüssel finden – wenn man denn recherchieren möchte. Man könnte Recherchieren, um seine Leser darüber zu informieren, dass der Vater des verunglückten jungen Adil, ein Herr Mohammed Larbi Charrot so vernünftig ist, zur Gewaltfreiheit aufzurufen. Trotzdem kommt es zu regelrechten Straßenschlachten. Ein Polizeifahrzeug wird eingekreist und mit großen Steinen und Paletten werden die Scheiben zertrümmert. Die Polizei wird mit Steinwürfen angegriffen, und zwar nicht „teilweise“. Ein Wasserwerfer ist im Einsatz. Die Polizei setzt Pfefferspray ein. Die Pistole bleibt verschwunden.

Wenn man die wichtigsten deutschen Online-Medien liest, fühlt man sich in die einstige DDR zurückversetzt. Die Artikel in verschiedenen Zeitungen sind weitgehend wortgleich. Lediglich in einem Artikel des Tagesspiegel ist ein Video eingebettet, dass einen näheren Blick auf die Wirklichkeit zeigt.

Liebe Journalisten, Ihr seid nicht dazu da, die Regierungspolitik zu lobpreisen oder das Volk zum Gehorsam zu erziehen. Eure Leser haben dort einen Diskussionsbedarf, wo Ihr längst keinen mehr seht. Ob in der Europolitik, der Flüchtlingskrise, der Klimapolitik – was nicht in Euer Weltbild passt, findet in Euren Artikeln nur noch zur Hälfte statt.

Es gibt ein jüdisches Sprichwort, das Ihr Euch zu Herzen nehmen solltet: „Die halbe Wahrheit ist eine ganze Lüge“. In diesem Sinne ist das Wort Lückenpresse eher ein Euphemismus.



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